Gekipptes Fenster kann mehr als einen Euro pro Stunde kosten
Dichte Fenster, dichte Fassaden, alles dicht am Haus – keine teuer erwärmte Raumluft soll mehr ungehemmt entweichen können. Immer neue Verordnungen des Staates regeln das alles penibel. Nicht so die Zufuhr von frischer Luft. Und für die Bewohner ist es oft schwierig, Balance zu halten zwischen Energieeinsparung und Wohnhygiene. Dazu ein paar Tipps von Wüstenrot.
Bei Wohngebäuden mit kontrollierter Lüftungsheizung und Wärmerückgewinnung, die bei Neubauten zunehmend an Bedeutung gewinnen, übernimmt es automatisch und regelmäßig die Technik, verbrauchte Luft auszutauschen und die Wohnung zu heizen. Hier schreibt die Energieeinsparverordnung (EnEV) sogar die Menge an stündlich zuzuführender Frischluft vor. Hygienische Risikofaktoren wie Milben und Sporen oder auch chemische Belastungen, etwa aus ausdünstenden Möbeln, Farben oder Klebern, werden ohne menschliches Zutun weggefiltert.
Zwang zum Luftaustausch In einem modernen Niedrigenergiehaus drohen Mensch und Material Schaden zu nehmen, wenn nicht kontrolliert frische Luft hineinkommt. Ist das Gebäude mit Wärmedämmverbund-Fassaden "tresorartig" umhüllt und mit vollkommen dichten Türen und Fenstern versehen, steht außer Zweifel: Frische Luft zum Atmen bleibt buchstäblich außen vor. Dann hängt es von den Bewohnern ab, ob sie bedarfsgerecht lüften oder ob es zu einem Mangel an frischer Atemluft kommt. Es reicht dann nicht aus, morgens und abends für ein paar Minuten die Fenster zum Lüften zu öffnen.
Schräge Sache: Offenes Kippfenster In einem Vier-Personen-Haushalt werden rund 30 m3; Frischluft pro Person und Stunde benötigt. Da manche Bewohner, vor allem Berufstätige, die Gewohnheit entwickeln, tagsüber Fenster gekippt zu halten, wird gerade in der kalten Jahreszeit viel Energie vergeudet und viel mehr Frischluft hereingelassen, als benötigt wird. Bei derartigem Lüften findet beispielsweise bei Fenstern der Größe 90 x 130 cm, einer Außentemperatur von +2 Grad Celsius sowie einer Innentemperatur von 21 Grad C ein Luftaustausch statt, der das Zwanzigfache des erforderlichen Volumens beträgt. In Euro und Cent: Wird im Winter über ein gekipptes Fenster mit einem Spalt von nur zwei Zentimetern gelüftet, strömt Energie im Wert von rund 17 Cent pro Stunde nach draußen – bei einem Spalt von zwölf Zentimetern sind es schon 1,10 Euro. Das Zuviel an frischer Luft schlägt bei den heutigen Energiepreisen ganz schön ins Kontor. Möglicher Ausweg könnten Fenster mit Zwangslüftung sein. Das sind kleine Schlitze im unteren Fensterrahmenbereich. Da die Druckverhältnisse innerhalb und außerhalb eines Hauses verschieden sind, findet, vom Bewohner unbemerkt, ein begrenzter Luftaustausch über die Öffnungen statt. Das erspart es einem aber nicht, mehrmals täglich mit weit geöffneten Fenstern zu lüften!
Krankheiten vorbeugen Früher erfolgte der Luftaustausch auf "natürliche Weise", nämlich durch undichte Fenster, Türritzen oder feine Risse in der Außenhaut des Hauses. Energieverluste spielten nicht die Rolle von heute. Deshalb blieben bei soviel "Luftbewegung" die Ecken in Wohn- und Schlafräumen auch weitgehend von Schimmelpilzen verschont. Kopfweh und Schlappheit waren dann vielleicht Folgen einer feuchtfröhlich durchzechten Nacht, kaum jedoch von schlechter Luft im Haus. Da die EnEV den häuslichen Wärmeverlusten einen Riegel vorschiebt, bleibt den Planern nichts anderes übrig, als die Gebäudehülle fast luftdicht zu verschließen. Scheut ein Hausbesitzer die nicht unerheblichen Kosten einer Belüftungsanlage, hat er sich selbst um ausreichendes Lüften kümmern. Fachleute empfehlen: Morgens 20 Minuten sowie – je nach Raumnutzung und Außentemperatur – drei- bis viermal am Tag jeweils zehn Minuten lüften. Wenn möglich, sollte quer gelüftet werden, das heißt: Fenster über Eck ganz aufsperren. Kommt nicht genügend frische Luft herein, kann das den Wohnkomfort beeinträchtigen. Nach Angaben der Stiftung Warentest liegt die Schadstoffbelastung in vielen Wohnungen höher als an stark befahrenen Straßenkreuzungen. Bei den Bewohnern sind oftmals Atemwegserkrankungen, Allergien oder andauernde Müdigkeit die Folge.
Die Gegenrechung Auf dem Markt gibt es inzwischen bei Lüftungsheizanlagen eine Fülle von Anlagentypen und Funktionsprinzipien. Neben den dezentralen Gerätesystemen, bei denen, je nach Anforderung, pro Raum ein Gerät platziert wird, gibt es die zentralen Lösungen. Eine klassische Heizquelle, wie Öl- oder Gaskessel mit Brenner, übernimmt die Wärmeversorgung und -verteilung. Bei dem geringen Wärmebedarf eines Niedrigenergiehauses kommt aber auch eine elektrisch betriebene Wärmepumpenheizung in Betracht. Wichtig dabei ist, dass Aggregat, Regelung und Wärmequelle optimal ausgelegt sind, so dass das Preis-Leistungsverhältnis konkurrenzfähig zu konventionellen Heizsystemen ist. Bei einer Gegenüberstellung der Kosten muss beachtet werden, dass bei der Wärmepumpenheizung die Vorratshaltung über einen Tank wie beim Öl etwa entfällt. Auch ein Schornstein wird nicht benötigt. Bei dieser Berechnung sollte auch der fachmännische Rat des Heizungsinstallateurs einbezogen werden. Die Filterwartung einer Lüftungsheizanlage kann bei einfacher Technik vom Hausbesitzer selbst übernommen werden. Bei kontrollierter Belüftung mit Wärmerückgewinnung entstehen so gut wie keine Lüftungswärmeverluste mehr.
Wie ein Uhrwerk: Lüftungsintervalle im modernen Haus Beim Haus mit kontrollierter Lüftungsheizung übernimmt die Technik das richtige Lüften einer Wohnung. Wenn diese mit einem System zur Rückgewinnung von Wärme aus verbrauchter Abluft ausgerüstet ist, können sich die Investitionskosten sogar in einem überschaubaren Zeitraum amortisieren. Wo noch "mit Hand" gelüftet werden muss, empfiehlt Wüstenrot, folgende Punkte zu beachten:
- Dauerbelüftung über ein schräggestelltes Fenster unbedingt vermeiden.
- Es muss zur täglichen Angewohnheit werden: vier- bis fünfmaliges Querlüften.
- Nach Absprache mit dem Planer eventuell Fenster mit Zwangslüftung einbauen.
- Ein gut gelüfteter Raum heizt sich schneller auf als einer mit verbrauchter Luft.
- Es wäre eine fürsorgliche Aufgabe von Bauträgern, Architekten oder Energieberatern, die Menschen vor dem Einzug in fast dichte Wohnhäuser mit den wohnhygienischen Besonderheiten solcher Gebäude vertraut zu machen. Gerade dann, wenn es keine kontrollierte Belüftungsvorrichtung gibt. |
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